Tiere haben endlich eine Lobby!

Abbildung des Deutschen Grundgesetzes

Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes

Stellungnahme Deutsche Tier-Lobby e.V.
zu „nutz“tierrelevanten Regelungen
im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Tierschutzgesetzes und des Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetzes
Verbändeanhörung Februar 2024

Sie können die Stellungnahme auch als PDF herunterladen.

Die Deutsche Tier-Lobby e.V. begrüßt die überfällige Novellierung des Tierschutzgesetzes als Beitrag, um dem im Grundgesetz verankerten Staatsziel Tierschutz endlich gerecht zu werden.

Aus Sicht der sogenannten „Nutz“tiere positiv hervorzuheben sind im Besonderen:

  • Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern.
  • Betäubungszwang vor der Tötung auch für Kopffüßer und Zehnfußkrebse.
  • Einführung einer Videoüberwachung in Schlachthöfen ab einer bestimmten Größe.
  • Betäubungspflicht bei Kastration und Enthornung von Kälbern.
  • Dauerhafte Verankerung des Amtes eines/einer Bundestierschutzbeauftragten.
  • Erhöhung des Strafrahmens bei Tierschutzverstößen.

An vielen Stellen greift der vorliegende Entwurf jedoch deutlich zu kurz. Insbesondere folgende Regelungen sind zusätzlich in das Tierschutzgesetz einzufügen

  • Expliziter Ausschluss wirtschaftlicher Interessen als vernünftiger Grund für die Zufügung von Schmerzen, Leid oder Schäden.
  • Abschaffung jeglicher Form der längeren Fixierung von Rindern inkl. der sogenannten saisonalen Anbindehaltung.
  • Aufnahme effektiver Regelungen zum Brandschutz.
  • Ausdehnung der Videoüberwachung in Schlachthöfen auf bisher ausgenommene Betriebe.
  • Betäubungspflicht für die Kastration von Lämmern und jungen Ziegen.
  • Tierschutzkonforme Überarbeitung des sog. Qualzuchtparagraphen (§11b TierSchG).

Ausführlichere Erläuterungen und konkrete Formulierungsvorschläge finden Sie im folgenden Text.

Ein in diesem Sinne ambitioniertes Tierschutzgesetz würde zwar einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Tierleid leisten. Für grundlegende Veränderungen bedarf es jedoch der Überarbeitung weiterer Regelwerke wie insbesondere der TierSchNutztV. In dieser sind Regelungslücken (u.a. für Puten und Rinder) zu schließen sowie bestehende Mindeststandards für alle Tierarten deutlich anzuheben. Qualhaltungsformen wie Kastenstände, Kaninchenkäfige und Kälberboxen sind zu untersagen.

Um eine Benachteiligung deutscher Betriebe im internationalen Wettbewerb durch die Anhebung von Tierschutzstandards zu verhindern, ist die Implementierung verursachergerecht finanzierter Fördermittel (sog. „Tierwohlabgabe“ oder „Tierschutzcent“) unabdingbar. Eine gesellschaftliche Akzeptanz für diese Maßnahme kann allerdings nur durch die Bindung dieser zusätzlichen landwirtschaftlichen Subventionen an erhebliche Verbesserungen der Lebensbedingungen unserer „Nutz“tiere gewährleistet werden.

Erster Abschnitt: Grundsatz

Der erste Ref-Entwurf Mai 2023 beinhaltete eine überfällige Konkretisierung des § 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG): „Bei der Abwägung schutzwürdiger menschlicher Interessen mit dem Tierschutz stellt ein wirtschaftliches Interesse für sich genommen keinen vernünftigen Grund für eine Beeinträchtigung von Leben und Wohlbefinden eines Tieres dar“. Diese wurde jedoch in der Koalitionsabstimmung überraschend gestrichen und fehlte im zweiten Ref-Entwuf im Juni 2023.

Die Deutsche Tier-Lobby fordert, den ursprünglich geplanten § 1 Satz 3 wieder einzuführen, der besagt, dass wirtschaftliche Interessen allein kein vernünftiger Grund für die Beeinträchtigung des Tierwohls sind. Das deutsche Tierschutzgesetz ist teilweise vage formuliert, wodurch Auslegungsfragen entstehen. Die Aufnahme von § 1 Satz 3 würde Klarheit schaffen und die rechtlichen Mindestanforderungen im Tierschutz verbessern. In der aktuellen Ressortabstimmung wurde der Satz jedoch entfernt, angeblich auf Druck des Deutschen Bauernverbands, ohne klare Begründung oder Alternativvorschlag. Es ist ethisch selbstverständlich und entspricht der Rechtsprechung, dass rein wirtschaftliche Interessen nicht die Zufügung von Tierleid rechtfertigen. So hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 2019 festgestellt, dass rein wirtschaftliche Interessen keinen vernünftigen Grund für die Tötung männlicher Küken darstellen.1 Kritiker müssen ihre Gründe für die Streichung offenlegen und Alternativen formulieren. Die Debatte um den Grundsatz in § 1 bietet die Chance, das Zielbild für den Tierschutz in Deutschland zu schärfen und Planungssicherheit zu bringen, daher ist Transparenz in der Debatte entscheidend.

Die Empfindungsfähigkeit der Tiere, einschließlich ihrer Fähigkeit zu Freude, Wohlbefinden, Leid und Schmerz, soll explizit im Gesetz verankert werden, um ethischen Tierschutz zu gewährleisten.2 Dies spiegelt die Anerkennung der Empfindungsfähigkeit von Tieren durch den Gesetzgeber wider, wie bereits im Grundgesetz verankert.3

Zweiter Abschnitt: Tierhaltung

Ernsthaftes und tierschutzgesetzkonformes Verbot der Anbindehaltung von
Rindern

Mit dem Ref-E Februar 2023 soll die Anbindehaltung von Rindern in einem neuen § 2b i.V.m §21, Abs. 1a TierSchG reguliert werden.

Die Anbindehaltung (ganzjährig und saisonal) von Kühen und Mastrindern ist als eine der schlimmsten noch existenten Qualhaltungsformen in Deutschland zu betrachten. Sie enthält den betroffenen Tieren sowohl physische (Bewegung, Juckreizlinderung, artgerechtes Ruhen und Nahrungsaufnahme etc.) als auch psychische Grundbedürfnisse (freie Kontaktaufnahme zu anderen Tieren, Einhalten eines selbst gewählten Abstands zu diesen, Erkundungsverhalten, Geburts- und Mutter-Kind-Verhalten) vor und setzt sie gravierenden Gesundheitsrisiken (Gelenks- und Hautverletzungen, Erkrankungen des Euters, der Geschlechtsorgane, des Verdauungsapparats, des Atmungsapparates, der Klauen etc.) aus und führt zu Stereotypien wie Futterwerfen oder Zungenrollen.4

Anbindeställe sind darüber hinaus häufig gekennzeichnet von unbefriedigenden Lichtverhältnissen, einem schlechten Stallklima und einer unzureichenden Liegefläche. Letzteres ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Anbindeställe nicht mit den zuchtbedingt größer gewordenen Tieren „mitgewachsen“ sind. Berichtet wird auch von miserablen hygienischen Verhältnissen, die dazu führen können, dass die Tiere in ihren eigenen Exkrementen stehen oder liegen. Ein Ausweichen ist für die Tiere wegen der Fixierung im Gegensatz zu einer Unterbringung in anderen Haltungsformen nicht möglich.

Ganzjährige Anbindehaltung und Kombinationshaltung ohne Weidehaltung

Die ganzjährige Anbindehaltung verstößt daher bereits jetzt gegen den Grundsatz einer verhaltensgerechten Unterbringung nach §2 Nr. 1 TierSchG, wie ein Gutachten der Kanzlei Günther im Auftrag von Greenpeace zeigt.5

Das Verwaltungsgericht Münster trägt diesem Faktum in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 201966 (in der Hauptsache bestätigt am 3. Februar 20227) Rechnung und verpflichtet einen Landwirt dazu, seinen Tieren zumindest für vier Monate im Jahr eine Auslaufmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, da die von ihm praktizierte ganzjährige Anbindehaltung gegen das Tierschutzgesetz verstoße.

Es ist daher zu begrüßen, dass der Gesetzgeber das implizit bereits bestehende Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung in einem neuen §2b ausdrücklich verankern will. Die angesetzte Frist von fünf Jahren ab Inkrafttreten, mit dem wegen der Abstimmungsprozesse in Regierung und Bundestag und der anschließenden EU-Notifizierung nicht vor Ende 2024 gerechnet werden kann, ist wegen des oben beschriebenen Tierleids sowie aus folgenden Gründen aber deutlich zu lange bemessen:

  • Im Gegensatz zu anderen Haltungssystemen werden Anbindeställe seit Jahrzehnten nicht mehr neu errichtet. Alle noch betriebenen Anbindeställe können damit als abgeschrieben betrachtet werden. Die Gewährung längerer Übergangszeiträume kann sich daher nicht auf das Argument ausstehender Amortisationen stützen.8
  • Aufgrund der fehlenden Vereinbarkeit der (ganzjährigen) Anbindehaltung mit dem Tierschutzgesetz leben betroffene Landwirtinnen mit dem Risiko, jederzeit von Mitbürgerinnen angezeigt oder von Veterinärämtern mit zusätzlichen Auflagen belangt zu werden (wie die Ermöglichung von regelmäßigem Auslauf, siehe oben). Auch eine Strafverfolgung auf Grundlage von §17 TierSchG ist denkbar.9
  • Den hier diskutierten Neuregelungen geht eine jahrzehntelange gesellschaftliche Debatte inkl. eines nicht umgesetzten Bundesratsentscheids zulasten der ganzjährigen Anbindehaltung im Jahr 2016 voraus. Den betroffenen Landwirt*innen ist daher seit langem bewusst, dass die ganzjährige Anbindehaltung ein Auslaufmodell ist. Spätestens durch den Koalitionsvertrag 2021 besteht für alle Seiten Planungssicherheit in der Frage eines Verbots der ganzjährigen Anbindehaltung.

Wir empfehlen daher die Festsetzung einer Frist für den Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung von max. 12 Monaten ab Inkrafttreten der Neuregelungen, längstenfalls bis zum 31.12.2025.

Von der 12-monatigen Frist sollten auch alle Anbindeställe ohne Weidehaltung, die der sog. Kombinationshaltung zugeordnet werden, erfasst werden, da auch diese Systeme den Tieren monatelang wesentliche Grundbedürfnisse vorenthalten und nur geringfügige Tierschutz-
Verbesserungen gegenüber der ganzjährigen Variante vorsehen. Diese umfassen im Wesentlichen die Gewährleistung von 2h Auslauf pro Tag an 90-120 Tagen pro Jahr, also Regelungen, deren Einhaltung kaum durch die Veterinärämter überprüft werden können.

Saisonale Anbindehaltung in Verbindung mit Weidehaltung nach §21, Abs. 1a TierSchG-E

Die geplante Aufrechterhaltung der saisonalen Anbindehaltung in Verbindung mit mind. sommerlicher Weidehaltung unter den Voraussetzungen des §21, Abs. 1a TierSchG steht ebenfalls im Widerspruch zum Grundsatz einer verhaltensgerechten Unterbringung der Tiere nach §2, Nr.1 TierSchG und ist daher abzulehnen.

Ein Ausgleich der durch die Anbindehaltung erlittenen Qualen durch Weidegang während der warmen Jahreszeit ist weder ethisch gerechtfertigt (keinem Lebewesen ist länger anhaltendes Leid zuzumuten) noch mit dem Wesen von Rindern vereinbar, da diese solche langen Zeiträume nicht überblicken können und daher ihre Leiden während der meist 6-7 Monate langen Anbindehaltung nicht mit der Aussicht auf Weidegang im Sommer lindern können.10

Auch aus folgenden Gründen lehnen wir die geplante unbefristete Fortführung der Kombinationshaltung im Sinne des §21, Abs. 1a TierSchG-E ab:

  • Für die Bewirtschaftung von Grünflächen während der Weideperiode ist die Aufrechterhaltung der Anbindehaltung in den übrigen Monaten keineswegs notwendig. Stattdessen ist die Implementierung eines passgenauen Förderkonzepts das Gebot der Stunde. Dieses sollte dem Großteil der betroffenen Landwirt*innen – ggf. durch Betriebszusammenlegungen – den Umbau auf Laufställe oder andere tiergerechtere Systeme ermöglichen. Die Höhe der Förderung sollte dabei vom angestrebten Tierschutzniveau der Unterbringung bestimmt werden. Die Einrichtung eines ganzjährigen Auslaufs berechtigt z.B. zur Inanspruchnahme höherer Mittel. Praxis-Beispiele zeigen allerdings, dass ein Umstieg für einige Landwirt*innen bereits unter den aktuellen (Förder-)Bedingungen machbar ist.11
  • Nicht einmal die betroffenen Landwirt*innen selbst profitieren von einer unbefristeten Aufrechterhaltung der Kombinationshaltung, da Handel und Verbraucher*innen sich schrittweise auch von der saisonalen Variante der Anbindehaltung abwenden.12 Ein vollständiger öffentlich geförderter Ausstieg aus der Anbindehaltung sorgt dagegen für Planungssicherheit bei allen Beteiligten.
  • Davon abgesehen ist der Ansatz, die Pflege von Kulturlandschaften dauerhaft und einseitig auf Kosten einer bestimmten Gruppe fühlender Wesen zu betreiben, als solcher nicht akzeptabel und unvereinbar mit unserem europäischen Wertesystem, das sich auch in §20a GG widerspiegelt.

Ein Übergangszeitraum von max. fünf Jahren ab Inkrafttreten der Neuregelungen, längstenfalls bis zum 31.12.2029, erscheint vor diesem Hintergrund als angemessen, um einen Umbau auf anbindefreie Systeme bei gleichzeitigem Erhalt der mindestens Sommerlichen Weidehaltung zu ermöglichen.

Für die Inanspruchnahme der festgelegten Fristen müssen in allen Anbindeställen – sowohl im Rahmen der ganzjährigen als auch der saisonalen Variante – grundlegende Tierschutzstandards während der Übergangszeit eingehalten werden. Zu diesen zählen das Verbot von Halsrahmen, die Gewährleistung einer weichen und ausreichend eingestreuten Liegefläche, Maßnahmen zur Ermöglichung einer artgerechteren Nahrungsaufnahme sowie täglicher Auslauf.13 Diese Anforderungen sind in einer Rechtsverordnung auf Basis von §2b, Abs. 3, Nr. 1 und 2 TierschG-E zu verankern.

Forderung der Deutschen Tier-Lobby e.V.:

  • Ersatzlose Streichung von § 2b, Abs. 2 TierSchG-E sowie von § 2b, Abs. 1, Nr. 4 TierSchG-E.
  • Neufassung von §21, Abs. 1a TierSchG-E entsprechend der obigen Ausführungen.

Verbot Kuhtrainer

Hintergrund: Die Forderung nach einem Verbot des Kuhtrainers ermöglicht, dass der Kuhtrainer auch während der Übergangsfristen und bei möglichen Ausnahmen des Anbindeverbots nicht mehr zum Einsatz kommt!

Es wird vorgeschlagen, in § 3 Satz 1 TierSchG eine neue Nummer 11a einzufügen mit folgendem Wortlaut:

(Es ist verboten,)
11a. Kuhtrainer oder ähnlich funktionierende Geräte oder Vorrichtungen, die das Verhalten von Tieren im Stall beeinflussen sollen, zu verwenden.

Der Verstoß gegen dieses Verbot muss entsprechend in § 18 mit der Möglichkeit der Sanktionierung versehen werden. Hierfür besteht aber bereits der Verweis in § 18 Abs. 1 Nr. 4 TierSchG, der besagt, dass ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einem Verbot nach § 3 Satz zuwiderhandelt. § 18 Abs. 4 müsste den neuen § 3 S. 1 Nr. 11a dann aber einbeziehen, dafür wäre nach der Angabe „11,“ die Angabe „11a,“ einzufügen.“14

Brandschutz

Brandschutzvorgaben:

Jedes Jahr fallen in Deutschland hunderttausende, meist landwirtschaftliche Nutztiere Stallbränden oder Havarien von Belüftungsanlagen für die Stallgebäude zum Opfer. Allein im Jahr 2022 wurden durch 3.099 solcher Ereignisse 89.421 Wirbeltiere und ca. eine Million Insekten (v.a. Bienen) getötet, wobei der finanzielle Schaden insgesamt fast 250 Mio. € betrug.15

Trotz Bestehens der Ermächtigungsgrundlage in §2a Absatz 1 Nr. 6 TierSchG seit dem Jahr 2013 reichen die bislang bestehenden Regelungen offensichtlich nicht aus. Die Deutsche Tier-Lobby fordert daher, eine Vorschrift ins Tierschutzgesetz aufzunehmen, die Landwirte zu einem wirksamen Brandschutz verpflichtet. Eine solche Regelung beinhaltet Vorkehrungen zum Brandschutz und zu (Ersatz-)Lüftungsanlagen sowie deren Prüfung durch entsprechende Sachkundige:

㤠2b, Brandschutz, Frischluftversorgung16

(1) Werden Tiere in geschlossenen Gebäuden gehalten, die an eine Zwangsbelüftung angeschlossen sind, so muss eine geeignete und funktionsfähige Ersatzlüftungsanlage oder ein anderes geeignetes und funktionsfähiges System, welches bei einem Ausfall der Belüftung für ausreichend Frischluftzufuhr im Gebäude sorgt, vorgesehen sein sowie ein Alarmsystem, welches einen Ausfall der Lüftungsanlage sowie Feuer- oder Rauchentwicklung im Gebäude an den Betriebsinhaber meldet. Die Meldung von Feuer- und Rauchentwicklung muss ebenfalls an die örtliche Feuerwehr erfolgen. Es muss ein funktionsfähiges Notstromaggregat vorgehalten werden, welches bei einem Ausfall der Lüftungsanlage automatisch in Betrieb genommen wird. Ersatzlüftungsanlage, Alarmsystem und Notstromaggregat sind zweimal im Kalenderjahr auf ihre Funktionsfähigkeit durch einen Sachkundigen nach Absatz 3 überprüfen zu lassen und die Überprüfung ist durch einen Prüfbericht nach Absatz 3 Satz 3 und 4 bestätigen zu lassen. Die Prüfberichte nach Satz 4 sind zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Verlangen der für die Überwachung der Tierhaltung zuständigen Behörde vorzulegen. Die in den Sätzen 1 bis 5 in Bezug auf das Alarmsystem über die Meldung von Feuer- und Rauchentwicklung genannten Pflichten gelten auch für Tierhaltungsanlagen mit mehr als einhundert Tieren, die nicht an eine Zwangsbelüftung angeschlossen sind. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits bestehende Gebäude nach Satz 1 und Satz 6 müssen bis zum [einsetzen: letzter Tag des Jahres, das auf das Jahr des Inkrafttretens von § 2b folgt] entsprechend den Vorgaben der Sätze 1 bis 3 nachgerüstet werden.

(2) Elektrische Anlagen und Photovoltaikanlagen in und auf Tierhaltungsbetrieben und -einrichtungen nach Absatz 1 Satz 1 und Satz 6 müssen durch Sachkundige gemäß Absatz 3 auf ihre Wirksamkeit und Betriebstauglichkeit geprüft werden, und zwar:

  1. bei der Inbetriebnahme der elektrischen Anlage oder der Photovoltaikanlage,
  2. nach Inbetriebnahme der elektrischen Anlage oder der Photovoltaikanlage alle zwei Jahre
    als wiederkehrende Prüfung.

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits bestehende elektrische Anlagen und Photovoltaikanlagen in und auf Tierhaltungsanlagen nach Absatz 1 Satz 1 und Satz 6 müssen bis zum [einsetzen: letzter Tag des Jahres, das auf das Jahr des Inkrafttretens von § 2b folgt] erstmals nach Satz 1 Nummer 2 überprüft werden. Die Überprüfung ist durch einen Prüfbericht nach Absatz 3 Satz 3 und 4 bestätigen zu lassen. Die Prüfberichte nach Satz 3 sind zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Verlangen der für die Überwachung der Tierhaltung zuständigen Behörde vorzulegen.

(3) Sachkundige gemäß Absatz 1 und 2 sind

  1. Personen mit einem berufsqualifizierenden Hochschulabschluss der Fachrichtung
    Elektrotechnik mit mindestens fünfjähriger Berufserfahrung und
  2. Personen mit abgeschlossener handwerklicher Ausbildung im Fach Elektrotechnik oder mit
    gleichwertiger Ausbildung und mindestens fünfjähriger Berufserfahrung in der Fachrichtung
    Elektrotechnik.

Eine gleichwertige Ausbildung, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft gleichgestellten Staat erworben worden ist und durch einen Ausbildungsnachweis belegt werden kann, ist den in Satz 1 genannten Ausbildungen gleichgestellt. Die Prüfberichte der Sachkundigen müssen neben einer Beschreibung der durchgeführten Prüfungen insbesondere die Feststellung enthalten, dass die geprüften Anlagen einschließlich der dafür getroffenen Brandschutzmaßnahmen betriebssicher und wirksam sind. Kann dies wegen der Feststellung von Mängeln nicht bestätigt werden, müssen die Prüfberichte die Mängel beschreiben, eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung angeben und eindeutig aussagen, ob die Anlagen oder Einrichtungen bis zum Ablauf der Frist weiter betrieben werden dürfen.

(4) Das Bundesministerium erlässt durch Rechtsverordnung, soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist, Vorschriften über Anforderungen an weitergehende Sicherheitsvorkehrungen im Falle technischer Störungen oder im Brandfall, an präventive Sicherheitsvorkehrungen vor dem Brandfall, insbesondere an verpflichtende Blitzschutzvorrichtungen, die ausreichende Löschwasserversorgung in unmittelbarer Nähe der Gebäude und an die nähere Ausgestaltung der in den Absätzen 2 und 3 vorgesehenen Prüfverfahren.“

Eine solche Regelung setzt Artikel 4 in Verbindung mit Nummer 13 des Anhangs der EU-Richtlinie Nr. 98/58 (EU-Nutztierhaltungsrichtlinie) um. Sie fordert die Vorhaltung bestimmter Anlagen, um bei technischen Störungen oder Bränden in Stallgebäuden, die an eine Zwangsbelüftung angeschlossen sind, die Tiere zu schützen. Bereits im April 2018 forderte die Agrarministerkonferenz (AMK) rechtliche Rahmenbedingungen, um Tierverluste in solchen Fällen zu verhindern.17 Eine ad-hoc-AG der AMK hat festgestellt, dass es im Tierschutzrecht bisher an konkreten Anforderungen für den vorbeugenden Brandschutz in Tierhaltungen mangelt. Das Fazit lautet, dass rechtliche Rahmenbedingungen für
Tierhaltungsanlagen erforderlich sind, um wirksame Brandvorbeugung, Brandbekämpfung und Tierrettung zu gewährleisten.18 Das DLG-Merkblatt Nummer 422 betont die Notwendigkeit der Luftversorgung bei Stromausfall in geschlossenen Stallanlagen und das Erfordernis eines Notstromaggregats.19 Eine Vorschrift könnte sich z.B. an der Verordnung über die Prüfung elektrischer Anlagen in Tierhaltungsanlagen in Nordrhein-Westfalen vom 11. August 2020 orientieren.20 Eine Einführung ist überfällig, da der Verordnungsgeber trotz Ermächtigung bislang nicht aktiv geworden ist.

Dritter Abschnitt: Töten von Tieren

Videoüberwachung in Schlachthöfen

Die Deutsche Tier-Lobby begrüßt die Einführung von festen Vorgaben zur Videoüberwachung in Schlachthöfen. Jedoch sind im geplanten § 4d, Absatz 2 Einrichtungen, die bislang keinen Tierschutzbeauftragten benennen müssen, d.h. kleinere Betriebe, hiervon ausgenommen. Die Deutsche Tier-Lobby e.V. fordert, diesen Absatz ersatzlos zu streichen, so dass sich das Gebot der Videoüberwachung auf alle Einrichtungen, in denen Tiere geschlachtet werden, erstreckt.

Dies ist dringend notwendig, da Untersuchungen zeigen, dass gerade in kleineren Schlachthöfen ein unsachgemäßer Umgang mit den Tieren, z.B. durch mangelhafte bauliche Gegebenheiten, falsche Betäubung und mangelnde Sachkenntnisse bei den Mitarbeitenden, sehr häufig vorkommen. In einer Untersuchung von angekündigten Kontrollen bei 678 Schlachtungen in v.a. kleinen und handwerklich strukturierten Schlachtbetriebe Hessen wurden z.B. 44% der Betäubungen als mangelhaft eingestuft.21 Die Argumentation von hohen Investitions- und Betriebskosten, die Kleinbetriebe unverhältnismäßig belasten würden, im Ref-Entwurf ist angesichts von geschätzten Anschaffungskosten von ca. 3500 Euro für ein passendes Kamerasystem (steuerlich absetzbar) und laufenden Betriebskosten von ca. 500 Euro/Jahr in Abwägung mit zahlreichen bekannt gewordenen Verstößen gegen das Tierschutzrecht und dem dadurch verursachten tierischen Leid in diesen Betrieben unserer Ansicht nach nicht vertretbar.

Des Weiteren erscheint die in § 4 Abs. 4 Satz 1 geforderte Speicherdauer der Videoaufzeichnungen von 30 Tagen zu kurz angesichts der häufig hohen Arbeitsbelastung der Kontrollbehörden. Hier ist eine längere Speicherdauer von 90 Tagen gefordert, um wirkungsvolle Kontrollen zu ermöglichen.

In § 4 Abs. 4 Satz 6 wird vorgegeben, die Videoaufnahmen seien von der zuständigen Behörde „stichprobenartig und anlassbezogen“ zu sichten. Diese Formulierung ist zu unspezifisch. Es sollten genauere Vorgaben bzgl. der Kontrollpflichten der Behörden aufgenommen werden, z.B. durch konkrete Zeitvorgaben („mindestens dreimal für jeweils 15 Minuten für verschiedene Zeiten eines Schlachttags, in denen aktiver Umgang mit Tieren stattfindet“) und Bedingungen („Sichtung des gesamten relevanten Videomaterials, wenn konkrete Anhaltspunkte für Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften bestehen).

Zusätzlich plädiert die Deutsche Tier-Lobby e.V. angesichts einfacher Beschaffungs- und Installationsmöglichkeiten der Kamerasysteme für eine kürzere Übergangsfrist sowie eine lückenlose Überwachung aller Prozesse auch zwischen Betäubung und Entblutung der Tiere, welche aktuell so nicht spezifiziert ist.

Keine Stückprämien oder Akkordlöhne an Schlachthof-Arbeitskräfte für die Arbeitsvorgänge des Treibens, der Ruhigstellung, der Betäubung und der Tötung

Aufgrund der in der oben beschriebenen Untersuchung und anderen relevanten Publikationen22 beschriebenen Mängel bei der Betäubung und auch Schlachtung der Tiere ist dringend sicherzustellen, dass Arbeitsvorgänge (Zutrieb zur Betäubungsanlage, Ruhigstellung, Betäubung und Tötung) so weit wie möglich ohne Schmerzen, Leiden, Ängste und Aufregungen durchgeführt werden. Wenn – wie häufig üblich – die Entlohnung der Schlachthofarbeitskräfte im Akkord oder nach Stückzahlen erfolgt, sind aufgrund des Zeitdrucks der Einsatz von z.B. schmerzhaften Elektrotreibern, einer Fehlbetäubung und Unregelmäßigkeiten bei der Tötung sehr viel wahrscheinlicher. Daher fordert die Deutsche Tier-Lobby, dass eine Entlohnung mittels Stückprämien für Arbeitsvorgänge, die am noch lebenden Tier stattfinden, verboten wird.

Betäubungszwang auch für Kopffüßer und Zehnfußkrebse

Ebenso begrüßt die Deutsche Tier-Lobby, dass nach dem aktuellen Ref-Entwurf mit einem neu geplanten § 4 Absatz 4 auch Kopffüßer (Cephalopoden) und Zehnfußkrebsen (Dekapoden) vor dem Töten betäubt werden müssen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie eine Schmerz- und Leidensfähigkeit besitzen, die derjenigen von Wirbeltieren vergleichbar ist.23 Daher halten wir die Gleichbehandlung mit Wirbeltieren in dieser Hinsicht für dringend geboten.

Anwendung der irreversiblen Betäubung auf alle Schlachtungen

Die Deutsche Tier-Lobby fordert, den bestehenden §4a, Abs. 1 umzuformulieren in dem Sinne, dass

  • er sich auf alle Wirbeltiere, nicht nur warmblütige Tiere, bezieht
  • eine irreversible Betäubung vor der Schlachtung ausnahmslos vorzuschreiben ist.

Eine reversible Betäubung birgt immer das Risiko, dass durch zu großen zeitlichen Abstand zwischen Eintritt der Betäubung und Beginn des Schlachtvorgangs die Wirkung der Betäubung nachlässt.24

Daher lehnen wir Jegliche Ausnahmeregelungen ab. §4a, Abs. 2 ist zu streichen.

§ 4a TierSchG ist dementsprechend wie folgt zu fassen:

„Ein Wirbeltier darf nur geschlachtet werden, wenn es vor Beginn des Blutentzugs irreversibel betäubt worden ist.“

Vierter Abschnitt: Eingriffe an Tieren

Derzeit basiert die konventionelle Landwirtschaft auf dem Prinzip der Leistungsoptimierung und Anpassung der Tiere an die häufig nicht tierschutzkonformen Haltungsbedingungen – zu Lasten der landwirtschaftlich „genutzten“ Tiere. Möglichst viele Tiere sollen auf möglichst engem Raum möglichst viel Ertrag bringen.

Das aktuell geltende Tierschutzgesetz verbietet das Amputieren oder Entnehmen von Körperteilen bei Wirbeltieren, außer in Ausnahmefällen zum Schutz des Tieres oder anderer Tiere. Trotzdem werden solche Eingriffe entgegen den gesetzlichen Bestimmungen häufig vorgenommen, wie der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik bereits 2015 festgestellt hat25. Das TierSchG-E soll dieser Entwicklung entgegenwirken, indem es solche Eingriffe sofort oder mit (geringen) Übergangsfristen verbietet. Die Deutsche Tier-Lobby fordert: §§ 5 und 6 sind verständlich und deutlich zu formulieren, so dass tierschutzwidrige Eingriffe verboten bzw. nur nach tierärztlicher Indikation erlaubt sind. Insbesondere betrifft dies:

  • Kürzung von Schwänzen (Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen)
  • Enthornung (Rinder)
  • Kürzen von Schnabelspitzen und Absetzen von Zehengliedern (Geflügel)
  • Herausbrechen von Zähnen (Schweine)
  • Tätowierung/Brandmarkung

Die neu verankerte Pflicht zur Betäubung von Kälbern bei deren Kastration muss auch für Lämmer und Zicklein gelten. §5, Abs. 3, Nr. 1 TierSchG ist dementsprechend zu streichen.

Sechster Abschnitt: Tierschutzbeauftragte

Wie begrüßen die Schaffung des Amts für eine/einen Bundestierschutzbeauftragten. Da dieses Amt im BMEL angegliedert ist, haben wir jedoch die Befürchtung, dass es zu Interessenskonflikten mit den tiernutzenden Akteuren kommt. Zur Wahrung der institutionellen Unabhängigkeit ist es zwingend erforderlich, dieses Amt, sowie alle Bereiche die sich mit Tierschutz befassen aus dem Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) herauszulösen. Alternativ wäre eine Eingliederung im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sinnvoll. Hier könnte auch die bedeutsame Rolle der Tiere in der Landwirtschaft beim Klimawandel berücksichtigt werden.

Für eine wirksame Ausübung muss das Amt ergänzend mit ausreichenden Entscheidungs- und Eingriffsbefugnissen ausgestattet werden. Darüber hinaus sehen wir es als zwingend erforderlich an, dass das Amt mit einer festen Laufzeit versehen ist und nicht mit Ende einer Legislaturperiode endet, damit die Position auch nach einem Regierungswechsel erhalten bleibt.

Siebenter Abschnitt: Zucht, Halten von Tieren, Handel mit Tieren

Überarbeitung des Qualzuchtparagrafen

Für die Umsetzung der Neuregelungen des sog. Qualzuchtparagraphen des § 11b (hier konkret § 11b Abs. 1b und Abs. 2 Nr. 2) sieht der Regierungsentwurf eine Übergangsfrist von 15 Jahren vor, d. h. die geänderten Vorschriften sind bei Inkrafttreten des Gesetzes erst nach weiteren 15 Jahren verpflichtend anzuwenden. Daher fordert die Deutsche Tier-Lobby e.V.:

Eine solch lange Übergangsfrist ist nicht zu tolerieren und muss daher komplett gestrichen werden.

Begründung: Bereits in der Gesetzesbegründung wird einleitend festgestellt: „Qualzucht kann durch sehr unterschiedliche Erscheinungsformen und Krankheitsbilder erfüllt und für die betroffenen Tiere mit erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sein.“ Im weiteren Verlauf der Begründung wird angeführt, dass das bestehende Qualzuchtverbot „sich bisher als nicht hinreichendes Mittel erwiesen hat“, den ursprünglichen Gesetzeszweck, „die Qualzucht umfassend zu verhindern“, zu erfüllen.

Es wird ferner angeführt: „Die Wirkung gegenwärtiger Regelungen zum Verbot der Qualzucht ist unzureichend. Trotz der zuletzt vorgenommenen Änderung des § 11b im Jahr 2013 hat sich keine signifikante Verbesserung des Status quo ergeben“.26 Die Gesetzesbegründung lässt daher die Schlussfolgerung zu, dass eine Änderung der derzeit geltenden Lage dringend erforderlich ist. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung eine ähnlich lange Übergangsvorschrift im österreichischen Tierschutzrecht für verfassungswidrig erklärt.27

Dem zu entscheidenden Fall lag eine Änderung des Tierschutzgesetzes in Österreich im Jahr 2022 zugrunde, nach der die Haltung von Schweinen auf unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verboten ist. Das Verbot gilt für neue Anlagen bereits seit dem 1. Januar 2023. Um den Betrieben mit bestehenden Haltungssystemen Planungssicherheit zu geben, wurde eine Übergangsfrist bis ins Jahr 2040 geschaffen.

Diese Überlegungen können auch auf das Verbot der Qualzucht in Deutschland übertragen werden. Grundsätzlich wurde der Tierschutz im Jahr 2002 in Art. 20a GG aufgenommen und ihm damit ein eigenständiger Verfassungsrang eingeräumt. Mit der Umsetzung würde auch dem Bewusstseinswandel zum Thema Tierschutz in der Bevölkerung Rechnung getragen.

Es ist zu beobachten, dass gerade in der „Nutz“tierhaltung Merkmale, welche die physiologische Kompensationsfähigkeit des Stoffwechsels des Tieres überfordern, immer häufiger angestrebt werden. Bei diesen Merkmalen handelt es sich insbesondere um:

  • überproportionale Bemuskelung einzelner Körperpartien
  • Schnellwüchsigkeit und übermäßiges Körpergewicht (z.B. Putenhaltung)
  • übergroße Euter, übermäßige Milchertragsleistung
  • Eierlegeleistung
  • übermäßige Anzahl von Zitzen (Muttersauenhaltung-Ferkelproduktion)
  • und Merkmale, bei denen die Anzahl der Nachkommen (Zucht auf große Würfe) die Fähigkeit des Muttertieres, die Nachkommen zu ernähren, übersteigt und die Anzahl der nicht überlebensfähigen Nachkommen zunimmt.

Diese und weitere „nutz“tierspezifische Qualzuchtmerkmale sind in die Auflistung des §11b, Abs. 1a TierSchG-E zu integrieren.

Die Anforderungen an die vor allem „Nutz“tier-Haltenden müssen grundsätzlich dahingehend entwickelt werden, dass die Unterbringungsmöglichkeiten an die Bedürfnisse der Tiere und nicht die Tiere an die vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten angepasst werden und damit ein großer Teil der Qualzuchten, wie z.B. hornlose Rinder, entfallen kann.

Verbot für den Einsatz von PMSG

Dieses Hormon, das aus dem Blut trächtiger Stuten gewonnen wird, soll u.a. die Ferkelproduktion effizienter gestalten. Dafür werden den Pferden Schmerzen und Leiden in großem Ausmaß zugefügt, da ihnen während der Trächtigkeit große Mengen Blut entnommen werden.28 Weil es sich um Wildpferde handelt, gestaltet sich die Entnahme entsprechend schwierig und geht meist mit großer Gewaltanwendung einher. Von südamerikanischen sog. „Blutfarmen“ wurden etliche Fälle der Tierquälerei dokumentiert.29
Seither wurde in Deutschland überwiegend PSMG teilweise aus Deutschland und anderen europ. Ländern, vorwiegend aus Island, importiert, da dort die Haltungsbedingungen besser sein sollten. Aber auch hier wurden ähnliche Fälle der Tierquälerei in Pferdezuchtbetrieben dokumentiert.30

Im Rahmen der Schweinezucht wurden bei deutschen Sauen im Zeitraum vom 1. Februar 2016 bis 31. Januar 2019 etwa 6,4 Millionen Einzeldosen PMSG zur Brunststimulation und zur Zyklussteuerung eingesetzt, obwohl sich der Zyklus auch anders (durch Licht- und Fütterungszyklen, Eberkontakt und/oder synthetisch hergestellte Wirkstoffe) beeinflussen lässt.31

In der Schweiz wurde bereits 2022 ein Verbot ausgesprochen, mit dem Erfolg, dass 95 % aller Schweine haltenden Betriebe davon betroffen sind. Selbst der Schweizer Bauernverband unterstützt das Verbot und führt als Grund für den Verzicht an, dass die Bereitstellung des Hormons nach wie vor unter für die Stuten tierquälerischen Bedingungen erfolge. Der Wechsel der Herkunft des Hormons von Südamerika nach Europa habe nicht die erhoffte Verbesserung gebracht.

Der beschlossene Verzicht auf PMSG ist für rund 95 % der Schweizer Tierhaltungsbetriebe verbindlich und der Einsatz des Hormons für alle Tierkategorien verboten. Der SBV wird nun die entsprechende Information an die Tierärzte weitergeben, damit diese das Hormon nicht mehr verschreiben. Die Einhaltung der neuen Auflage wird ab 2023 kontrolliert werden.

Das Europäische Parlament hatte bereits im Oktober 2021 mit großer Mehrheit von den Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission gefordert entsprechende Gesetze zu erlassen.32

Deswegen fordert die Deutsche Tier-Lobby e.V., ein sofortiges Anwendungsverbot von PMSG in das Tierschutzgesetz aufzunehmen.

Achter Abschnitt: Verbringungs-, Verkehrs- und Haltungsverbot

Exportverbot von Tieren in Hochrisikostaaten

Vor dem Hintergrund gut dokumentierter aktueller Ereignisse spricht sich die Deutsche Tier-Lobby e.V. für ein ausnahmsloses Verbot des Exports von lebenden Rindern, Schafen, Ziegen, Geflügeltieren und Kaninchen in Hochrisiko-Staaten aus. Diese Regelung ist in einem neuen § 12a gesetzlich zu verankern.

Für eine ausführlichere Darstellung insbesondere zum Thema Tiertransporte sowie zu Versuchs- Haus- Wild- und Zirkustieren verweisen wir auf die Kommentierung des Tierschutznetzwerks Kräfte bündeln, dem die Deutsche Tier-Lobby e.V. angehört.

  1. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2019, 3 C 28/16. Zu weiterer Rechtsprechung vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG Kommentar, 4. Aufl. 2023, § 1 Rn. 62a, 62b. ↩︎
  2. Jens Bülte, Barbara Felde, Christoph Maisack (Hrsg.): Reform des Tierschutzrechts, Nomos
    Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, ISBN (Print): 978-3-8487-8466-0, DOI: https://doi.org/10.5771/9783748928478. ↩︎
  3. Deutscher Ethikrat, Stellungnahme Tierwohlachtung – Zum verantwortlichen Umgang mit
    Nutztieren, 16. Juni 2020. ↩︎
  4. https://www.expertiseforanimals.com/blog-artikel/jetzt-online-unser-report-zum-ausstieg-aus-
    der-anbindehaltung
    ; https://www.deutsche-tier-lobby.de/download/leitfaden-
    anbindehaltung/?wpdmdl=4815&refresh=650a9047521b71695191111
    ↩︎
  5. https://www.greenpeace.de/publikationen/Rechtsgutachten%20Milchkuhhaltung.pdf ↩︎
  6. VG Münster, Beschluss vom 20. Dezember 2019, 11 L 843/19, BeckRS 2019, 33958. ↩︎
  7. VG Münster, Urteil vom 3. Februar 2022, 4 K 2151/19, BeckRS 2022, 1113. ↩︎
  8. https://www.topagrar.com/dl/2/9/8/7/7/4/0/2018_Positionspapier_Anbindehaltung_von_Rindern.
    pdf
    . ↩︎
  9. Zur Strafbarkeit dieser Haltungsform siehe Hahn/Kari, Leiden Nutztiere unter ihren
    Haltungsbedingungen? – Zur Ermittlung von Leiden in Tierschutzstrafverfahren, NuR 2021, S. 599-
    607. ↩︎
  10. https://www.greenpeace.de/publikationen/Rechtsgutachten%20Milchkuhhaltung.pdf. ↩︎
  11. https://www.ardmediathek.de/video/plusminus/rinderhaltung-strick-statt-weide/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3BsdXNtaW51cy8zY2E0YjRkYS1mNzZjLTRlZmQtODFlNS1jZWU4ZDY3OWU2NzI. ↩︎
  12. Aldi wird z.B. ab 2030 über seine Eigenmarken nur noch Milch aus den Haltungsstufen 3 und 4 verkaufen. Diese schließen jegliche Anbindehaltung, inkl. der saisonalen Variante, aus:
    https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/neue-
    haltungsformkennzeichnung-von-milch-und-milchprodukten-71530
    ; https://www.aldi-
    nord.de/unternehmen/presse/haltungswechsel-aldi-stellt-auch-bei-milch-auf-haltungsformen-3-
    und-4-um.html
    . ↩︎
  13. https://www.provieh.de/2022/06/anbindehaltung-endlich-konsequent-verbieten/. ↩︎
  14. siehe „Expertise for Animals: Die Ketten lösen: Eine umfassende Untersuchung der
    Anbindehaltung von Rindern
    „, 2023 ↩︎
  15. Stand: 31. Dezember 2022, Stefan Stein – https://www.facebook.com/stallbraende ↩︎
  16. Der Formulierungsvorschlag haben wir der Stellungnahme des Tierschutznetzwerks Kräfte bündeln zum Referentenentwurf des Tierschutzgesetzes mit Zustimmung der Verantwortlichen entnommen. ↩︎
  17. AMK vom 27. April 2018, Münster: TOP 34: Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung von Tierverlusten in Nutztierhaltungen im Falle technischer Störungen oder im Brandfall; abrufbar unter https://www.agrarministerkonferenz.de/documents/amk_ergebnisprotokoll_to-ohne-
    be_1531313136.pdf
    . ↩︎
  18. Ergebnisbericht der AMK-ad-hoc-AG „Schlussfolgerungen aus und Handlungsbedarf aufgrund von
    Brandvorfällen in großen Tierhaltungsbetrieben“ vom 24. Februar 2022 ↩︎
  19. abrufbar unter www.DLG.org/Merkblaetter, Merkblatt Nr. 422 S. 7-9. ↩︎
  20. Gesetz- und Verordnungsblatt – GV.NRW – Ausgabe 2020 Nummer 40 vom 9. September 2020, Seite 817 bis 824. ↩︎
  21. Frisch C, Lautenschläger S, Merl K (2018): Tierschutzkontrollen während der Schlachtung – ein Erfahrungsbericht aus dem Regierungsbezirk Darmstadt. Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle 25 (3): 140–147. ↩︎
  22. Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage vom 15. Juni 2012, BT-Drs.
    17/10021. ↩︎
  23. Vgl. § 8a Absatz 1 Satz 1 TierSchG in der bis zum 12. Juli 2013 geltenden Fassung. ↩︎
  24. Ausführlicher: https://www.heynkes.de/isa/schlachtung/schlachten.htm#S sowie
    https://edoc.ub.uni-muenchen.de/5014/1/Meiler_Diane.pdf. ↩︎
  25. Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Gutachten Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung, März 2015, abrufbar unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/GutachtenNutztierhaltung.html. ↩︎
  26. Ref-E vom 01.02.2024 Begründung B. Besonderer Teil Zu Nummer 9, zu § 11b Absatz 1b, S. 59 f. ↩︎
  27. Verfassungsgerichtshof Wien G 193/2023-15, V 40/2023-15 vom 13. Dezember 2023. ↩︎
  28. https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb10/institute_klinikum/klinikum/kramer/forschungszentrum-tierschutz/projekte/pmsg. ↩︎
  29. Animal Welfare Foundation e.V.: Blutfarmen in Argentinien und Uruguay, https://www.animal-welfare-foundation.org/projekte/blutfarmen/suedamerika. ↩︎
  30. Animal Welfare Foundation e.V.: PMSG-Gewinnung in Island, https://www.animal-welfare-foundation.org/projekte/blutfarmen/island. ↩︎
  31. BT-Drs. 19/11226 und 18/12251 ↩︎
  32. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0425_EN.html. ↩︎

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